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Sozio-technische Fähigkeitsbewertung

Um nun einer Konzeption der neuen Linie näher zu kommen, wurden drei Felder aus dem Bereich Mensch-Technik-Organisation betrachtet:


Mensch:
Die bisherige Produktionsweise an der Linie Wagner war gekennzeichnet von einem sehr breiten Aufgabenbündel pro Mitarbeiter („one-man-one-chair“). Es wurden also alle Modelle jeweils von einem Mitarbeiter gefertigt. Dies hatte den Vorteil klarer Zuordnungen, jedoch auch den Nachteil, dass häufig bei komplexen Modellen nur wenige Monteure mit entsprechendem Wissen zur Verfügung standen. Diese Herausforderung wurde vor allem dann verstärkt, wenn bei größeren Aufträgen kurzfristig viele solcher Varianten zu fertigen waren. Als Lösung dieser Problematik wurde nun entschieden, die Produktion in eine Vormontage (komplexere Tätigkeiten) und eine Endmontage (relativ einfache Tätigkeiten) zu trennen. Hierdurch sollte für wesentlich höhere Flexibilität bei schwankender Auslastung gesorgt werden.

2.    Informationstechnik:
Die Produktionslinie war bisher nicht echtzeit-integriert, anstehende Aufträge mussten je nach Charge am Arbeitsplatz einzeln kommuniziert werden. Dieses System wurde komplett in Richtung einer jederzeit digital verfügbaren Information in Echtzeit umgestaltet. In Zukunft sollte der Leitstand die komplette Schichtproduktion digital an die jeweiligen Arbeitsplätze kommunizieren. Eine Rückmeldung soll dann per Lichtschranke oder Scan in Echtzeit gegeben werden. Damit entfallen alle bisherigen händischen Planungs- und Steuerungsprozesse.

3.    AGV-Technologie:
Da eine direkt Mensch-Maschine-Kollaboration durch Leichtbauroboter (z. B. bei der Montage) an der Wagner-Linie technisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll erschien, kam die schon beschriebene AGV-Technologie zum Einsatz, die allenfalls indirekt (Belieferung Montageplatz) mit den Mitarbeitern „in Berührung kommt“, ansonsten autonom auf Basis des Produktionsplans agiert.

Diese Überlegungen führten in Summe natürlich zu einer nachhaltigen Veränderung des sozio-technischen Systems. Einerseits musste die Gesamtorganisation der Linie für etwa 30 Mitarbeiter angepasst werden. Auch mussten viele Aufgabenbündel neu definiert werden. Um diese großen Veränderungen gut meistern zu können und Ängste innerhalb der Belegschaft zu nehmen, wurden alle betroffenen Mitarbeiter von Beginn an in die Projektarbeiten mit einbezogen. Es fanden eine Vielzahl von Teamsitzungen und Einzelgesprächen statt, außerdem wurden die Wünsche der Mitarbeiter – wann immer möglich – berücksichtigt. Dies führte dazu, dass alle Beteiligten nur eine äußerst kurze „Skepsis-Phase“ durchlebt haben und nach kurzer Zeit mit hoher Motivation an Ihrer neuen „Vorzeigelinie“ mitarbeiteten.

Zusätzlich wurde die Fähigkeitsbewertung bei der Firma Topstar, mit Fokus auf der Wagner, Linie durchgeführt. Die dynamische Bereitstellung von Informationen an den Arbeitsplätzen und der Einsatz von AGV zur Entlastung der Montagemitarbeiter spiegeln sich merklich in der Bewertung wider, siehe Abbildung 37. So sind insbesondere bei der physischen Unterstützung als auch der Automatisierung administrativer Tätigkeiten Unterschiede zu erkennen. Damit gehen entsprechend die Veränderung der Tätigkeiten von Mitarbeitern sowie die Interaktion mit technischen Systemen einher. Dementsprechend wurde bei der Ausgestaltung und Umsetzung des Anwendungsfalls eine besondere Bedeutung auf die Einbindung und Vorbereitung der Mitarbeiter gelegt. Im Folgenden wird auf die Befähigung zur Umsetzung weiter eingegangen.

Abbildung 37: Sozio-technische Fähigkeitsbewertung der Wagner Linie