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Befähigung und Umsetzung
Die Mitarbeiter wurden von Beginn an intensiv in den Änderungsprozess eingebunden. Sowohl in der Vorbereitung als auch während der Entwicklung des Assistenten waren regelmäßige Rücksprachen mit den späteren Anwendern wichtig. Da das frühzeitige konstruktive Feedback in die Entwicklung einfließen konnte, wurde die neu entwickelte Industrie 4.0-Lösung zu ihrer Lösung. Außerdem wurde beim Design des Assistenten Wert darauf gelegt, dieses an die Arbeitsweise der Mitarbeiter von intrObest anzupassen und regelmäßige Überprüfungen auf Einfachheit der Nutzung durchgeführt. Die Anwendung des intrObest Assistenten ist möglichst einfach konzipiert und die einzelnen Funktionalitäten sind jederzeit in einer Benutzerdokumentation nachzulesen.
Die in der Web App „intrObest Assistant“ umgesetzten Use-Cases bei intrObest beziehen sich auf die im Kapitel 4.1.1 - CPPS-Auswahl genannten Herausforderungen, mit denen sich das Mittelstandsunternehmen konfrontiert sieht.
1. Unsichere Auslastungsprognosen führen zu Personalengpässen bzw. -überhang
2. Hoher Rechercheaufwand bei der Beschaffung von Bauteilen kann sehr zeitaufwändig sein
3. Komplexe Stücklisten, deren Komponenten manuell identifiziert und eventuell Alternativprodukte benötigen, bergen das Risiko der Falschidentifikation
Thematisch lassen die Anwendungsfälle wie folgt einordnen:
1. Bedarfsanalyse/ Verbrauch/ Prognose
2. Onlinequellensuche bezüglich Lieferanten inklusive Verfügbarkeit sowie dem Preis der jeweiligen Bauteile/ Produkte
3. Datenimport und Datenaufnahme
Zu jedem Use-Case wurden verschiedene Problemlösungsmethoden eingesetzt. Allgemein wird die Gesamtheit der Use-Cases über eine Web App realisiert, die den Prozess der Angebotserstellung abdeckt. Diese dient gleichzeitig als Endpunkt einer Innovationspipeline für das Unternehmen.
Die Innovationspipeline ist dabei ein Konzept, das nach initialer Umsetzung den Aufwand zur Integration weiterer Unternehmensprozesse, sowie das Hinzufügen neuer prozessunterstützender Informationen stark vereinfacht. Dabei wird ausgenutzt, dass Datenanalyseplattformen wie RapidMiner die Erstellung und Verwaltung sowohl von Datenzugriffen, als auch Web Apps und Prozesslogik ermöglichen. Es müssen bspw. Datenzugriffe nur einmalig zentral auf einem Server eingerichtet werden, um sie anschließend für Entwickler von Datenverarbeitungsprozessen als auch Nutzer der Web Apps leicht nutzbar zu gestalten. Die eigentliche Innovationspipeline besteht dabei aus folgenden Komponenten:
1. Web App als Schnittstelle zu allen prozessrelevanten Datenquellen und Prozessergebnissen
2. Datenverarbeitungsprozessen, welche die Logik der Web App abbilden
3. Werkzeuge zur Erstellung von Datenverarbeitungsprozessen
Eine schematische Darstellung der einzelnen Komponenten ist in Abbildung 25 dargestellt. Dargestellt sind von links nach rechts: das Werkzeug (exemplarisch durch eine Übersicht der Operatoren zur Analyse von Zeitreihendaten repräsentiert), der resultierende Prozess, der interne Operatoren des Werkzeugs nutzt sowie eine Web App als Assistent, welche den Prozess als Logik nutzt, um Daten zusammenzuführen und zu analysieren. Die jeweiligen Komponenten bedienen dabei unterschiedliche Zielgruppen. Die Web App dient als Schnittstelle zum Mitarbeiter. Der Mitarbeiter nutzt die Web App, um den Unternehmensprozess durchzuführen bzw. Unterstützung durch generierte Zusatzinformationen zu erhalten. Ziel der Nutzung einer einzelnen Web App zur Bearbeitung des Unternehmensprozesses ist es, die Anzahl der zu erlernenden Programme und Oberflächen zu reduzieren. Die Web App an sich kann jedoch aus verschiedenen Unterseiten bestehen.
Fachexperten für den jeweiligen Unternehmensprozess sind in dem Konzept der Innovationspipeline für die Erstellung der Prozesslogik zuständig. Werkzeuge zur visuellen Abbildung von Prozessen als datenverarbeitende Prozesse unterstützen den Fachexperten dabei. Diese Prozesse können einfache Datenzugriffe und Datenaufbereitungen abbilden, oder komplexe Analysen beinhalten.
Systemanbietern, Forschungseinrichtungen oder anderen Instituten kommt dabei die Aufgabe der Erstellung von Erweiterungen von Datenanalyseplattformen zu. Werden neue Analyse- oder Datenverarbeitungskonzepte entwickelt, werden diese als Erweiterungen für Datenanalyseplattformen umgesetzt. Dabei ist es besonders wichtig, die Anwendbarkeit der neu entwickelten Methoden in den Vordergrund zu rücken. Eine Erweiterung sollte daher selbsterklärende Inhalte mit sich bringen, klare Anforderungen an die Datenaufnahme bereitstellen, und eine granulare Auswahl an Parametern bereitstellen, die den Anwender nicht überfordert, aber gleichzeitig die Komplexität der Methodik nicht oder nur geringfügig beschränkt.
Dieses Konzept wurde im Anwendungsfall bei intrObest zur Erstellung des Angebotsassistenten umgesetzt. Dabei wurden seitens RapidMiner (als Plattformanbieter) komplexe Konzepte wie aufwendige Zeitreihenanalyse oder Deep Learning in leicht handhabbare Erweiterungen für die eigene Plattform integriert. Diese Erweiterungen enthalten Schulungsmaterial und beispielshafte Analyseprozesse. Diese Prozesse sind nah an den realen Gegebenheiten von Unternehmen wie intrObest angelegt und lassen so einen einfachen Übertrag bzw. eine Anpassung zu. Anschließend können die angepassten Analyseprozesse aus dem Schulungsmaterial in die Unternehmenseigene Web App eingebaut werden. Bedingt durch die Architektur von Analyseplattformen wie RapidMiner ist dabei ein Ziel, dass Mitarbeiter des Unternehmens selbst die Prozesse anpassen und in die Unternehmens-Web Apps einbauen können. Hierbei können auch die Web App Referenzimplementierungen hilfreich sein. So kann durch Bereitstellung von neuen Erweiterungen oder Werkzeugen wie in Schritt eins ein Multiplikatoreffekt erreicht werden, der einer Vielzahl von Unternehmen die Nutzung neuster Methoden ermöglicht. Auch können Prozesse oft mit nur geringen Abstraktionen auf andere Unternehmen angewandt werden.
Abbildung 26 zeigt eine RapidMiner Studio-Oberfläche mit einem Lehrprozess zur Nutzung der Deep Learning Erweiterung. Im Zentrum des Bildes sind erklärende Annotationen zu erkennen. Rechts unten ist ein Fenster mit Zusatzinformationen zum jeweils ausgewählten Operator dargestellt. In Abbildung 27 ist in einer detaillierteren Ansicht die Struktur von Netzwerkebenen innerhalb eines Lehrprozesses veranschaulicht.
Mitarbeiter im Unternehmen müssen sich unter Anwendung des Innovationspipeline-Konzeptes nur einmalig an den Aufbau einer Web App gewöhnen. Werden neue Analyseprozesse erarbeitet und in die Web App integriert, sind lediglich kleine Änderungen für den Mitarbeiter sichtbar. Zu nennen sind hier bspw. neue Kennzahlen mit Prognosen zur Lieferzeit, die als Zusatzinformation eingeblendet werden. Es muss kein neues Programm gelernt und in Arbeitsprozesse integriert werden. Einem Mitarbeiter obliegt dabei die Entscheidungshoheit, ob eine Information genutzt und in Entscheidungsprozesse mit einbezogen wird. In Abbildung 28 ist die Zuordnung der Schritte des Innovationspipeline-Prozesses zum intrObest-Use-Case dargestellt.
Auf dieser Basis wurden von RapidMiner verschiedene Module für die unterschiedlichen Schritte der besagten Pipeline erarbeitet. Diese sind bereits abstrahiert oder können mit geringem Aufwand für andere Unternehmen ebenfalls abstrahiert werden. Dabei handelt es sich um folgende Module, die in der chronologischen Entstehung aufgelistet sind:
- Prozesse zur Aufbereitung von Daten aus verschiedenen unternehmensinternen Datenbanken. Dabei wurden zudem Prozesse entwickelt, die Mitarbeitern potenziell fehlerhafte und ungewollte Einträge und Formatierungen in Bestandsdaten aufzeigen.
- Prozesse zur Zusammenführung der verschiedenen Unternehmensdaten
- Prozesse zur Aufbereitung von Kundenanfragen. In diesem Schritt wurde die Kundenanfrage als Datei eingelesen und in ein einheitliches Datenformat umgewandelt, welches später dem Anwender in der Web App angezeigt wird.
- Prozesse zur Zuordnung von angefragten Komponenten zu bekannten Produkten. Für die Zuordnung wurden weiterhin Prozesse zum Abgleich von physikalischen Einheiten entwickelt. Dies beinhaltet die Prüfung, ob geforderte Eigenschaften erfüllt sind. Dabei werden physikalische Einheiten, unterschiedliche Notationen und Strukturen (mehrspaltige oder einspaltige Angaben) berücksichtigt.
- Prozesse zur Lieferzeitabschätzung, sowie Preisabschätzung bei Angeboten, basierend auf den Anfragedaten des Kunden.
- Prozesse zur automatisierten Produktabfrage bei bekannten Onlineshops.
- Prozesse zur Extraktion von Informationen beliebiger Webseiten.
- Prozesse zur Extraktion von Informationen über vordefinierte, von Onlineshops bereitgestellte Schnittstellen.
- Einen Operator zur Extraktion von Eigenschaften, definiert durch schema.org-Schemata.
- Prozesse zur Zusammenführung intern und extern erhobener Produktdaten.
- Weiterentwicklung einer Extension (Sammlung von Operatoren, die zur Erweiterung von RapidMiner geladen werden kann) zur Bearbeitung, Analyse und prädiktiven Vorhersage von sequentiellen (zeitreihenartigen) Daten um 13 Operatoren.
- Eine Extension bestehend aus 13 Operatoren zur Erstellung und Anwendung von Neuronalen Netzen auf tabellarischen, textuellen und sequentiellen Daten. Diese Extension kann nicht nur in RapidMiner, sondern auch mit anderen Programmen erstellte und trainierte Netze anwenden.
- Eine Web App zur Begleitung des Angebotserstellungsprozesses vom Eintreffen der Anfrage (Abbildung 29), über die durch Data Mining-Algorithmen vorgeschlagenen (Abbildung 30) und manuell gesuchten (Abbildung 31) Komponenten und Produkte, sowie der Onlinerecherche von Preisen und Lieferzeiten (Abbildung 32) bis hin zum ersten Angebotsvorschlag. Die Begleitung ergibt sich dabei aus einer Teilautomatisierung, bei der jeder Schritt zunächst automatisiert versucht und die Ergebnisse dem Anwender zur Überprüfung und Korrektur bereitgestellt wird.
Im Folgenden werden die wesentlichen Schritte der Web App (siehe Punkt 13) aus Sicht des Anwenders durch exemplarische Screenshots illustriert.
Darauf aufbauend wurden verschiedene Analyseprozesse (Lieferabschätzung, Bedarfsvorhersage und Webkatalogempfehlungen) betrachtet und überprüft. Im Rahmen der Umsetzung wurde weiterhin die „papierlose Fertigung“ ausgebaut. Es wurden weitere Megapad-Tablets angeschafft, um noch mehr Mitarbeitern in der Fertigung die Möglichkeit zu geben, direkt am Arbeitsplatz auf die relevanten Material- und Stücklistendaten zuzugreifen und Artikelverfügbarkeiten prüfen zu können. Die Tablets wurde alle installiert und werden von den Mitarbeitern positiv angenommen.
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